Ich hatte nicht ausreichend Zeit, mir alle Interviews mit Jens Söring anzuhören, aber ein Gespräch mit SWR1 (Auszug unten) war sehr interessant. Es lieferte ein schönes Beispiel dafür, wie Söring seine Geschichte immer wieder frisiert bzw. justiert, wenn er sicher gehen kann, dass der Interviewpartner nichts über den Fall weiß, was leider fast immer der Fall ist.
I. Hintergrund: Die Journalistin Karin Steinberger lernte Jens Söring 2006 kennen, und ist seitdem mit ihm in Kontakt geblieben. Sie hat mehrere Zeitungsartikel für die Süddeutsche Zeitung verfasst, und schließlich mit dem Regisseur Markus Vetter den Film Das Versprechen: Erste Liebe lebenslänglich gedreht, der die Sichtwiese Jens Sörings und seine Anhänger unkritisch und ungeprüft wiedergibt.
Sind sich die drei während dieser gemeinsamen jahrelangen Arbeit näher gekommen? Laut Steinberger und Vetter sehr wohl. Die Beweise sind überall im Netz:
II. Offene Sympathiebekundungen und Parteinahme für Söring vor 2021
- Markus Vetter, Schwäbisches Tagblatt 2019, über Sörings Freilassung: “Es war eine unglaubliche Erleichterung das zu hören…. Nach der Recherche von hunderten Stunden Prozessmaterial bekam ich einfach den Eindruck, dass ich niemals mit Sicherheit hätte sagen können, dass er der Täter war. Ich hatte eher den Eindruck gewonnen, dass er es nicht war…. Und dennoch freue ich mich, dass Jens Söring bald auf freien Fuß kommt und hoffentlich bereits Weihnachten in Deutschland sein darf.”
- Markus Vetter, taz, 2016: “In meinen Augen ist Jens Söring ein grundehrlicher Mensch. Er versteckt nichts.” Über Elizabeth Haysom: “Sie spricht mit all ihrer Verführung.” Weiter:
“Stehen Sie weiterhin in Kontakt mit Jens Söring?
Vetter: Jens ist schon lange Teil von Karins Leben und jetzt ist er auch Teil meines Lebens geworden.
Steinberger: Man kann nicht jahrelang über einen Menschen berichten und dann plötzlich aufhören. Das wäre ja fast schon unmoralisch.”
- Markus Vetter, Trossinger Zeitung 2016: “Karin Steinberger hat ein ganz enges Verhältnis zu ihm…. Als ich mir das Interview {mit Söring] noch einmal anschaute, ist er mir sehr ans Herz gewachsen….” Söring bei seinem Hauptverfahren: “Er wollte nicht alles kommentieren, was Elizabeth gesagt hat. Er hat es unkommentiert gelassen, was ich eigentlich als Größe empfinde.”
- Anmoderation eines Interviews mit Karin Steinberger, DLF Kultur, 2016: “Im Gespräch ist ihr ihre innere Beteiligung auch anzumerken. Kann sie trotz allem ihre journalistische Distanz wahren? Sie habe Briefe von ihm bekommen, in denen er ihr „die persönlichsten und essentiellsten Dinge“ mitgeteilt habe, sagt die Journalistin. Trotzdem habe sie immer noch journalistischen Abstand.”
- Die englischsprachige Webseite für Das Versprechen: “Since [2006 Söring] wrote [Steinberger] nearly every day, his letters are full of rage, sometimes of hope.” [Seit 2006 hat Söring Steinberger fast jeden Tag einen Brief geschrieben. Seine Briefe sind voller Wut, manchmal auch Hoffnung.”
- Interview mit der BBC, 2016: “Q: Best piece of filmmaking advice you’ve ever been given? A: You have to love your protagonist – at least try to….”
[F: Bester Ratschlag übers Filmemachen, den Sie je bekommen haben? A: Mann muss den eigenen Protagonisten lieben, oder dies zumindest versuchen…”] - Karin Steinberger, Süddeutsche Zeitung, 2016: “Fünfmal habe ich ihn in all den Jahren besucht, immer wieder habe ich über ihn geschrieben, seit drei Jahren drehe ich an einer Dokumentation über ihn.”
III. Warum das jetzt ein Problem für Söring ist
Ich habe Markus Vetter und Karin Steinberger vorgeworfen, einen höchst einseitigen und irreführenden Film über den Fall Jens Söring gedreht zu haben, und habe die erdrückende Beweise für Sörings Schuld, die Vetter und Steinberger ignoriert haben, ans Tageslicht gebracht. November 2019 resümierte ich in der FAZ:
In der deutschen Berichterstattung über den Fall wird dies mit dem Modell des deutschen Haltungsjournalismus vermengt: Am Anfang steht die Entscheidung, wer der ungerecht behandelte Underdog (Söring) und wer der Bösewicht (Virginia) ist. Dann wird alles, was der Underdog sagt, für bare Münze genommen und gleichzeitig alles getan, um den Bösewicht zu diskreditieren. Alle Fakten, die den Underdog in einem schlechten Licht dastehen lassen, werden konsequent ausgeblendet, um das ideologisch bestimmte Muster nicht zu konterkarieren.
Die Macher von Das Versprechen und ihre Gesinnungsgenossen beharren darauf, dass der Fall Söring fatale Schwächen der amerikanischen Justiz entlarvt. Mitnichten: Söring hatte einen rechtstaatlichen Prozess, der inzwischen von zahlreichen Richtern sorgfältig geprüft wurde. Bei der Beweislage wäre Söring zweifelsohne auch in Deutschland für schuldig befunden worden.
Die Kritik hat hohe Wellen geschlagen. Sowohl Steinberger und Vetter hatten Angst um ihre Reputationen, haben aber ihre Arbeit nie in der Öffentlichkeit verteidigt. Das war auch ein Problem für Söring: Das Publikum könnte erfahren, dass die Menschen, die so viel über ihn geschrieben und gedreht haben, seine persönliche Freunde waren: ihn ‘lieben’, ihn für einen ‘großen’ Mensch halten, usw. Diese offene Sympathie und offene Parteinahme für Söring würde die Glaubwürdigkeit von dem Film und von der Berichterstattung über Söring (noch) schwer(er) untergraben.
IV: Steinberger? Vetter? Nie gehört.
Jetzt muss Söring seine Geschichte noch mal ändern, um Distanz zwischen ihm und den Filmemachern nachträglich zu verschaffen. Natürlich schert sich Söring dabei nicht um die Wahrheit. Wenn er seine Geschichte wieder einmal ändern muss, dann tut er das unverfroren — zumindest wenn er einem Ahnungslosen gegenübersitzt. Wie hier:
Karin Steinberger und Markus Vetter haben jahrelang für Söring gekämpft und trugen maßgeblich zu seiner Freilassung bei. Aber jetzt sind die beiden Söring nicht mehr nützlich – eigentlich wegen ihrer Befangenheit eher ein Klotz am Bein. Söring kündigt die Freundschaften daher in aller Öffentlichkeit.
So ist es bei Jens Söring — Menschen, die sich mit ihm einlassen und seiner Geschichte glauben schenken, erfahren früher oder später, dass das ein Fehler war.
,In der Nacht nach dem Fehlurteil gegen mich., Immer wieder versteht J.S. es geschickt, gleich am Anfag von Interviews seine Unschuld im Nebensatz als Tatsache zu suggerieren.
Das ist ein ganz ausgekluegeltes Vorgehen, das immer gleich am Anfang zumachen, denn:
1. Die “take away message” kommt sofort, nicht alle hoeren bis zum Ende
2. Welcher Moderator widerspricht seinem Gast in den ersten 2 Minuen?
Einem guten Journalist sollte das auffallen. Das sind ja auch keine dummen Worte und in der Kausa kommt man an den Beiträgen von Andrew Hammel kaum herum. Also, wieso lassen die sich immer noch einlullen?
Ich habe überlegt, ob er es vielleicht mit Steinberger/Vetter vorher abgestimmt hat, weil sie z dritt zu der Ansicht gekommen sind, dass Distanz heute besser aussieht. Falls nicht, also falls Söring im Alleingang die Aussage (“keine Freunde”) getroffen hat in der Öffentlichkeit, dann ist das ein Schlag ins Gesicht für die beiden, und muss weh tun. Das wäre tatsächlich kein guter Zug von ihm, sehr irritierend, nicht ok. Weil “keine Freunde” ist nicht etwa neutral, sondern tendenziell Negativ, schlechter als neutral. (“keine Freunde” –> also eher Feinde?) und das nach allem, was sie für ihn getan haben.
Steinberger und Vetter haben am Flughafen FFM auf Jens Sörings Ankunft gewartet und ihn fest in ihre Arme geschlossen, nachdem er angekommen war. Weit weg und separat vom offiziellen Freundeskreis. Davon gabs damals Videos online bei BILD oder so. Ein gemeinsames Foto von den Dreien am Flughafen hat Vetter bei seinen social media veröffentlicht. Das Foto verschwand dann aber ganz schnell……. “Nachtigall, ick hör dir trapsen!” Die beiden können keine Projekte mehr mit oder über Söring machen. Das weiß Söring selbst auch, sonst hätte er seiner Karin das große erste Interview in Freiheit gegeben, statt dem Spiegel. Söring’sche Projekte mit Beteiligung von Vetter oder Steinberger können nicht objektiv und somit auch nicht glaubwürdig sein. Die würden sich mit sowas alle drei ins eigene Fleisch schneiden. Wer weiß, was die inoffiziell hinter den Kulissen noch so alles für ihn gemacht haben.